Fische und Schmerzempfinden

Wie es Tieren in der Landwirtschaft, dem Zoo oder als Haustieren geht, ist eine fortwährende und polarisierende, aber wichtige Debatte. Gerade zu Vierbeinern wie Hunden und Katzen haben die Menschen oft eine sehr emotionale und fürsorgliche Beziehung. Bei Rindern, Schweinen oder Hähnchen ist die Verbindung meist schon etwas nüchterner. Gegenüber Fischen haben die Verbraucher i.d.R. keinerlei Empfindungen. Sie werden primär als Nahrungsquelle gesehen und gelten als gefühllose Tiere. Sogar von Gruppen, die sich den Verzehr anderer Lebewesen (z.B. Schweine) aus kulturellen oder religiösen Gründen explizit verbieten, werden sie gegessen.

Doch empfinden Fische keine Gefühle und Schmerzen? Oder können sie diese nur nicht ausdrücken? In diesem Beitrag erläutern wir den aktuellen Forschungsstand etwas genauer:

Wissenschaftliche Kontroverse zum Empfinden von Fischen

Lange Zeit ist die Wissenschaft davon ausgegangen, dass Fische keine Schmerzen empfinden können. Als Argumentation wurde hierbei zum Beispiel von Forschern der Humboldt-Universität zu Berlin angeführt, dass Fische nicht über die gleichen physiologischen Voraussetzungen verfügen, wie Menschen und Säugetiere. Sie besitzen keinen Neocortex, der normalerweise als Hirnstruktur für das bewusste Schmerzerleben zuständig sei.

In den letzten 20 Jahren wurde das Schmerzempfinden von Fischen jedoch intensiver untersucht. Einige Wissenschaftler zeigen in ihren Untersuchungen z.B. an Forellen, dass Fische sowohl physisch als auch geistig über ähnliche Voraussetzungen wie andere Wirbeltiere verfügen, um Schmerzen zu empfinden. Ähnlich wie bei Vögeln ist das Schmerzzentrum der Meeresbewohner in anderen Körperregionen angesiedelt, übernimmt aber ähnliche Funktionen wie die Großhirnrinde.

Auch der international anerkannte Verhaltensbiologe Jonathan Balcombe untersucht seit Jahren das Verhalten von Fischen und beschreibt in seinem Buch „Was Fische wissen“, dass die Tiere den Menschen sogar in vielerlei Hinsicht ähnlich sind. Laut Balcombe sind sie soziale Wesen mit ausgeprägten Sinnesorganen, die Beziehungen pflegen, untereinander kommunizieren und strategisch agieren.

Doch wie können wir nun ermitteln, ob und wie Fische Schmerz empfinden? Dazu schaut sich die Wissenschaft zunächst an, wie Reize wahrgenommen werden.

Fische und Nozizeption

Die Wahrnehmung eines Schmerzreizes wird als Nozizeption bezeichnet. Nozizeptoren sind Nervenenden, die auf verschiedene Stimuli bzw. Reize (z.B. mechanische, thermische, chemische) reagieren und sich im Körpergewebe befinden.

Auch Fische verfügen erwiesenermaßen über Nozizeptoren und nehmen über diese schädigende Einflüsse wahr. Nozizeption ist jedoch nicht mit dem Schmerzempfinden gleichzusetzen. Sie beschreibt lediglich die funktionelle Reaktion des Nervensystems auf entsprechende Reize und kann unbewusst stattfinden. Schmerzempfinden ist jedoch ein bewusstes Gefühlerlebnis, das beim Menschen zwar durch eine Nozizeption ausgelöst werden kann, es aber nicht muss und auch unabhängig von ihr auftreten kann.

Um weiter beurteilen zu können, ob Fische Schmerzen wirklich fühlen, beobachten die Forscher ihr Verhalten.

Fischleid und Anzeichen

Auf eine spezifische Nozizeption reagiert der Fisch mit physiologischen Antworten. Diese Reaktionen werden oft anthropomorphisch (Zuschreiben menschlicher Eigenschaften gegenüber Tieren) als Schmerzreaktionen und Beweis für ein Schmerzempfinden interpretiert. Lange Zeit wurde jedoch nicht ermittelt, ob Fische nur unbewusste, mechanische Reaktionen auf unangenehme Reize zeigen oder ob sie bewusst Schmerzen empfinden.

Lynne Sneddon, Biologin der Universität Liverpool veröffentlichte jedoch 2019 eine Untersuchung zur Schmerzempfindlichkeit von Fischen. Laut dieser können Fische Schmerz empfinden. Sneddon wies in verschiedenen Versuchen nach, dass die Tiere ihr Verhalten änderten, wenn sie mit schmerzhaften Ereignissen konfrontiert waren. So verzichteten die Fische zum Beispiel tagelang auf Nahrung, wenn diese nur in einem Bereich des Beckens verfüttert wurde, der Stromschlägen ausgesetzt war. In anderen Versuchen wurde den Fischen Essigsäure in den Mund gespritzt, woraufhin sie ruckartige Bewegungen machten oder ihren Mund an Beckenwand oder Keis rieben.

Tierschutz und Schmerzvermeidung per Gesetz

Stand heute gibt es noch keine allgemeingültige Auffassung der Schmerzempfindlichkeit von Fischen und es wird es für den Menschen weiterhin schwierig bleiben, eine objektive, wissenschaftliche Beurteilung zu treffen, da er das Fischerleben nicht nachempfinden kann. Ob Schmerzen tatsächlich gefühlt werden, ist aber sowohl aus tierrechtlicher als auch aus ethischer Sicht nur bedingt wichtig. Fische sind Lebewesen, die wie alle anderen eines besonderen Schutzes bedürfen. Das Tierschutzgesetz regelt, dass Fische ihrer Art und Bedürfnisse entsprechend angemessen ernährt, gepflegt und verhaltensgerecht untergebracht werden müssen. Die Tötung darf nur unter wirksamer Schmerzausschaltung (Betäubung) in einem Zustand der Wahrnehmungs- und Empfindungslosigkeit und unter Vermeidung von Schmerzen ausgeführt werden.

Die Aquakultur hat also klare Regeln, an die sie sich bei Fischhaltung, -betäubung, -schlachtung und -transport halten muss. Potenziell stressige und schmerzhafte Reize sind in jedem Fall zu vermeiden. Inwiefern Fischzuchten sich an diese Regeln halten, ist für viele Verbraucher schwer nachzuvollziehen. Auch Behörden haben oftmals nicht die Kapazitäten, Betriebe engmaschig zu kontrollieren. Es kommt daher auch zu einem wesentlichen Teil auf die Eigenverantwortung des Betreibers an.

In Zusammenarbeit mit dem saarländischen Landesamt für Verbraucherschutz haben wir unsere SEAWATER Schlachtlösung und alle Prozesse konzeptioniert, die alle rechtliche Anforderungen erfüllt und auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen aufbaut. Wir sind überzeugt, dass eine tierwohlgerechte Aufzucht und Verarbeitung nicht nur moralisch angebracht ist, sondern letztlich auch eine hohe Produktqualität sichert. Wie die Tiere bei uns möglichst stressfrei aufwachsen und schonend betäubt werden, ist in folgenden zwei Blogbeiträgen nachzulesen.


REFERENZEN:

  • Arlinghaus, R. and A. Schwab (2011). Five ethical challenges to recreational fishing: what they are and what they mean. 75: 219-234.
  • Arlinghaus, R., et al. (2009). “REVIEW PAPER Contrasting pragmatic and suffering-centred approaches to fish welfare in recreational angling.”
  • Brown, C., Laland, K., Krause, J., 2006. Fish Cognition and Behavior. Blackwell Publishing Ltd, 328 pp.
  • Chandroo, K.P., Duncan, I.J.H., Moccia, R.D., 2004. Can fish suffer? Perspectives on sentience, pain, fear and stress. Applied Animal Behaviour Science, 86, 225–50.
  • Rose, J., et al. (2013). “Can fish really feel pain?” Fish and Fisheries 15.
  • Sneddon, L. (2011). “Pain Perception in Fish Evidence and Implications for the Use of Fish.” Journal of Consciousness Studies 18: 209-229. 
  • Sneddon, L. (2019). “Evolution of nociception and pain: evidence from fish models.” Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences 374: 20190290. 
  • Sneddon, L.U., Braithwaite, V.A., Gentle, M.J., (2003). “Do fishes have nociceptors? Evidence for the evolution of a vertebrate sensory system.” Proceedings of the Royal Society of London, Series B: Biological Sciences 270, 1115-1121.
  • Sneddon, Lynne U. (2003): “The Evidence for Pain in Fish: The Use ofMorphine as an Analgesic.” Applied Animal Behaviour Science, 83(2),153-162.
  • Tierschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Mai 2006 (BGBl. I S. 1206, 1313), das zuletzt durch Artikel 101 des Gesetzes vom 20. November 2019 (BGBl. I S. 1626) geändert worden ist, §2 und §4